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"Der Klub mufi eine Struktur und eine
Philosophie haben. Erfolg kann man
nur etablieren, wenn ein Trainer nach
der Philosophie und Spielweise ausge-
sucht wird. So ist die Jugendarbeit
auch ausgerichtet. Deswegen haben
deutsche Klubs wie Köln auch solche
Probleme", sagt Olsen, der als Erfolgs-
Beispiele den FC Barcelona mit Johan
Cruyff oder Werder Bremen mit Otto
Rehhagel nennt.
Einen Seitenhieb für seinen alten
Verein kann sich Olsen daher auch
nicht verkneifen: "Da spricht man
zuviel über die Tradition, von den
Zeiten eines Weisweiler und Overath.
Man laiSt dem Trainer keine Zeit. Mit
mir würden die nicht so dastehen. Das
tut mir schon leid, weil mein Herz
trotz allem noch an dem Klub hangt."
HEUTIGER GEGNER
in Amsterdam gefeiert
ln Köln gefeuert, in Amsterdam gefei
ert: "Natiirlich war ich am Anfang sehr
frustriert. Aber die Wunden sind mitt-
lerweile verheilt"erinnert sich Morten
Olsen an den 27. August 1995, als er
nach der 3:4-Pokalpleite des 1. FC Köln
im Elfmeterschiefen beim viertklassi-
gen Amateur-Klub SpVgg Beckum mit
Schimpf und Schande als Trainer des
Traditionsklubs vom Rhein entlassen
worden war.
Seit Saisonbeginn soil der 48jahrige
Dane den niederlandischen Rekord-
meister Ajax Amsterdam wieder zu
altem Ruhm verhelfen. Die Bilanz kann
sich bisher sehen lassen. Trotz elf neuer
Spieler marschieren die "Ajacieden"
derzeit direkt und unaufhaltsam zum
27. Meistertitel in der Ehrendivision.
"Wir haben ein gute Mischung. Da
sind fünf oder sechs Spieier, die zwar
schon alles gewonnen, aber noch
Ambitionen haben. Dazu sind neue
und junge Spieler gekommen, die mit
Herz für den Klub spielen", skizzierte
der ehemalige Kölner Bundesligaprofi
in groben Zügen den schnellen Erfolg
mit alten Kampen wie Danny Blind.
Als Morten Olsen in Amsterdam zu
Jahresbeginn den Vertrag unterschrie-
ben hat, stand der einstige Futëball-
Riese vor einem grofien Schnitt. In-
nerhalb von nur ftinf Jahren verlor der
Klub insgesamt 40 Spieier. Darunter
beflnden sich Stars wie Patrick Klui-
vert, Winston Bogarde, Michael Rei
ziger oder Marc Overmars, die 1995
den vierten Europapokal der Landes-
meister nach 1971, 1972 und 1973
sowie den zweiten Weltpokalsieg hol
ten.
"Es mufêten erfahrene Leute wie
Michael Laudrup oder Andrzej Rudy
kommen. Ajax hat noch nie elf neue
Spieler auf einmal gekauft. Aber man
kann nicht immer nur von der Jugend-
Abteilung leben. Irgendwann kommt
ein Jahr mit weniger Talenten", be-
gründet Olsen seine Einkaufstour in
Europa, trotz der berühmten Ajax-
Schule. Neben seinem Landsmann
Laudrup sowie dem Ex-Kölner und -
Bochumer Rudy holte der Dane unter
anderem den Georgier Schota Ar-
weladse und für sieben Millionen Mark
den nigerianischen Olympiasieger
Sunday Oliseh, den er entdeckt und
zunachst für Köln verpflichtet hatte.
Olsen wurde von den verwöhnten Fans
sofort ins Herz geschlossen, und das
nicht nur wegen des bisherigen Er-
folges. Der einstige Weltklasse-Libero
ist, ganz anders als sein unbeliebter
Vorganger Louis van Gaal, stets ffeund-
lich und hat immer ein Lacheln im
Gesicht. Zudem steht er bei Ajax in der
Tradition grofier Danen wie Frank
Arnesen, Sören Lerby, Henning Jensen
oder Jan Mölby.
Dennoch steht der Coach nach dem
enttiiuschenden vierten Platz imver-
gangenen Jahr und dem Halbfinal-Aus
in der Champions League unter Er-
folgsdruck. Voraussetzung für seine
Einstellung bei den "Ajacieden", die
einen Etat von 75 Millionen Mark
haben, war zunachst die Philosophie,
attraktiven Offensiv-Futëball spielen zu
lassen.
"Hier ist der Zuschauer die Nummer
eins. So verstehe ich Futëball auch, als
Liebhaberei. Wir können nicht 34mal
Konter-Futëball spielen, auch wenn wir
gewinnen. Es mufi Angriffs-Futëball
sein", sagt Olsen. Darin sieht Olsen
auch den Erfolg von Vereinen wie Ajax,
das neben Bayern München, Juventus
Turin und dem FC Barcelona alle drei
europaischen Trophaen gewonnen hat
(Cupsieger 1987, Uefa-Cup 1992).