Kuit-Tour. der. Roten Wölfe" V O 1 1 FANS FÜR FA N S W ■j) O' UI ienstags abends gegen 17.00 Uhr steigen die ersten Fernwehen auf. Bevor man sich aufmacht, wird der Wolfshunger mit Apfelsaftschorle, gebacke- nem Schafskase mit gedünste- tem Koblauch, Cola-Weizen, Pils und Schnaps gestillt. Urn 18.45 Uhr starten wir in Richtung Frei- mersheim bei Landau. 500 Meter vor Freimersheim legt man noch eine zusatzliche Rast ein (was für ein Druck auf der Blase!). Obwohl sich der Bus, alien Ge- genwetten zum trotz, pünktlich urn 20.00 Uhr Richtung GB in Be- wegung setzt, schafft man es tat- sachlich, in eben diesen einzu- steigen. Dort beobachtet man gleich, wie spendierfreudig her- renlose Thermoskannen mit ihrem Inhalt umgehen können, wenn sie die Bodenflache küs- sen. Alsbald erreicht man die Stationen Landau undZweibrük- ken, wo noch einmal die Mann- schaftsaufstellung des Busses in diversen Kameras festgehalten wird. Man lernt seine Sitznach- barn kennen und stellt mit Min- derwertigkeitskomplexen fest, aus welchem Holz Ultrafans ge- schnitzt sein müssen, die am Wo- chenende prinzipiell zwei Spiele besuchen und begeistert von der Stimmung bei Inter Mailand, La- zio Rom, Paris und und und schwarmen. Mit wenig Schlaf aberdafür umso mehr Gegröle erreicht man ge gen 4.30 Uhr Calais, wo ein Gluk- kerkahn unseren Bus nach Do ver bringen soil. Flier findet man auch andere gleichgesinnte rot- weiBe Teufel, mit denen man fuB- ballerische Meinungen aus- tauscht. Wahrend man in der NuBschale vor sich hinschippert, lernt Tang eine französische Schönheit kennen. Leider muB sich unser guter Freund sehr schnell daran erinnern, daB er niemals Franzö- sisch lernte. Da man ja kein Un- mensch ist, erbarmte man sich und metscht brillierend doll und schon kann man auf den Spitz- namen „Professor" hören. An Deck findet man heraus, wie lange die Reaktionszeit eines Meter-mal-Schrank-Fans mit grimmiger Miene ist. Man prüft, ob die Reichweite einer Spritzfla- schemitseltsamen Inhalt bis zum Gesicht dieses Bares ausreicht. Nachdem diese Frage positiv be- antwortet wurde, beweist er extrem kurze und spontane Re- flexe: Mit einem Schrubber, der noch im Besitz des Dreckes der letzten 100 Jahre ist, deutet er auf meine Jacke, die innerhalb von Sekunden hoch reinigungsbe- dürftig wird. Damit sich die erhitz- ten Gemüter abkühlen, handelt ein Dritter sofort und konse- quent: schnell wird ein bereit lie- gender Schlauch aufgedreht und in unsere Richtung anvisiert. nach dieser unfreiwilligen Mor- gentoilette einigt man sich dann doch auf einigermaBen ziviles Verhalten. Die Fahrt geht weiter auf dem Festland, in dem einem der Linksverkehr den Magen rum- dreht. Die erste Raststatte wird nicht nur um einige Frühstücke erleichtert, sie verliert auch wert- volle Magazine mit reichlich nackten Tatsachen. Schon bald lernt der ganze Bus die harte Schwerstarbeit kennen, die die armen Englander praktizieren müssen, um sich zu vermehren. Nach langer Autobahn und noch langeren Staus, kommen wir endlich in Sheffield an. Es ist eine von den Stëdten, die uns unmiB- verstandlich zeigt, wie sauber die Behausungen in Deutschland sind. Mark bietet an, uns durch die Stadt zu führen. Der Stadtrund- gang dauert genau 20 Meter, bis zum nachsten Pub. Man freut sich über die niedrigen Bier- preise und die hübschen Bedie- nungen. Plötzlich kommt eine 60- jahrige Oma an den Tisch mit ei ner Visitenkarte und erzahlt, sie sammle Autogramme und wir sollten alle auf der Rückseite der Karte unterschreiben. Fünf Minu ten spater kommt ihr Mann (nochmals ca fünf Jahre alter) mit 3 kleinen Mannschaftspostern von Wednesday mit aufgedruck- ten Autogrammen. Dann ent- schuldigt er sich noch tausend- mal, daB er nicht noch mehr da bei hat. Wenig spater erzahlt uns der Alte, daB der Neger (ca. 20 Jahre alt), der bei ihm am Tisch sitzt, ein Ersatzspieler ist, der heute nicht zum Einsatz kommt. Er holt ihn zu uns und wir bekom- men Autogramme. Auf der Toi lette erzahlen uns weitere Fans, daB sie mit dem Flugzeug zum Hinspiel geflogen sind, und daB sie von K-Town und der Atmo- sphare begeistert waren. Der ab solute Gipfel der Freundlichkeit: Urs bekommt einen Sheffield- schal geschenkt. Die Leute sind absolutfreundlich, einfach super Wahnsinnü! Ca. eine Stunde vor Spielbeginn sammelt man sich vor dem Sta dion. Man trifft immer mehr be- kannte (und unbekannte) Ge- sichter. So kreuzen zum Beispiel drei Typen mit einer Riesen- Videokamera, einem Mega- Mikrofon und einem Leucht- strahler, der wohl das ganze Sta dion beleuchten soil, auf. Irgend- wie steht man plötzlich im Ram- penlicht und ehe man sich ver- sieht, wird man vor laufender Ka mera irgend etwas schwachsin- niges gefragt, bei dem man nur die zwei Wörter „how long" ver- steht. Souveran macht man so, als hatte man alles verstanden und schwafelt drei Minuten lang mehr Broeken als Englisch einen Monolog herunter. Dabei kommt es darauf an, diesen Pressefrit- zen keine Zeit für weiter dumme Fragen zu geben, bei denen man nicht einmal weis, wer denn jetzt eine Frage hat Jetzt hat man sich mittlerweile so gesammelt, daB man das Stadion auch einmal von innen besichti- gen kann. Der erste Eindruck ist überwaltigend. Durch die Boxen hören wir moderne, geile und laute Lieder, die die Stimmung echt gut aufheizen. AuBerdem geht bei Wednesday nicht nur der Harte Kern mit Sprüchen und Gesang ins Stadion; hier machen alle mit, vom kleinen Schreihals bis hin zur braven Omi. Unsere Sitzplatze sind weniger komfor tabel: Ein festgeschraubtes Holz- brett, das man wie einen Kino- sessel herunterklappen muB, um dann seinen Hintern draufzuset- zen. Aber da Sitzen eh für den Hintern ist, ist uns das egal. Der ganze Mob (etwa 1000 Freaks) steht die kompletten 90 Minuten durch. Vor allem in den ersten Spielminuten verwandelt sich die Arena in einen Hexenkessel, von dem spater viele sagten, er ware noch heiBer als der Betze gegen Barcelona. Doch auch unser Betzevolk ver- fügt über eine gewaltige Laut- starke, was in der zweiten Halb- zeit den Sheffieldern auf ein- drucksvolle Weise demonstriert wird. Vor allem nach dem 2:2 durch Zeyer traut man seinen Augen kaum, daB der Schiri die ses Tor anerkennt: Wir sind so gut wie weiter! Was nach dem SchluBpfiff los ist, kann sich jeder interessierte Fan seibst ausmalen. Der Marsch vom Stadion zu unseren Bussen,

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Programmaboekjes (vanaf 1934) | 1992 | | pagina 15